#7 Warum wir Frauen hassen – internalisierte Misogynie | Purpose. Power. Perspektiven. Podcast

Warum bemühen wir uns, Männern zu gefallen – und stellen unsere Weiblichkeit dafür oft selbst infrage? Warum gilt „typisch weiblich“ so oft als schwach oder peinlich? Warum ist „weißer Feminismus“ kein Feminismus? Was hat das mit dem Patriarchat zu tun? Mit unserer Gästin Sarah Hirzinger – alleinerziehende Mutter, Feministin und Gründerin einer Agentur für Diversity-Marketing – sprechen Anne und ich über internalisierten Frauenhass, Pick-Me-Verhalten und die subtilen Mechanismen, mit denen ein patriarchales System FLINTA-Personen gegeneinander ausspielt. Es geht um Macht, Körperbilder, Konkurrenz – und darum, wie wir Strukturen hinterfragen und dass Feminismus unbequem ist und auch mal wehtun darf. Eine Folge über ehrliche Selbstreflexion, strukturelle Ungleichheit und die Notwendigkeit, Feminismus größer und solidarischer zu denken.

Internalisierter Frauenhass – wie wir ihn verinnerlichen

Gemeinsam mit Divoke Gründerin Sarah Hirzinger sprechen wir über verinnerlichten Frauenhass und intersektionalen Feminismus. Wie immer nicht ohne eine Priese Humor.

Wenn wir über Misogynie sprechen, denken viele zuerst an äußere Gewalt, offensichtliche Diskriminierung oder sexistische Sprüche. Doch was ist mit den stillen Stimmen in uns selbst? Denen, die uns sagen, dass typisch weibliches Verhalten peinlich ist, dass wir uns lieber mit Männern solidarisieren sollten, um akzeptiert zu werden?

Sarah hat das im Podcast sehr treffend formuliert: Sie hat internalisierten Frauenhass „aktiv praktiziert“. In einem stark religiös geprägten Umfeld aufgewachsen, hat sie sich von klein auf von weiblich konnotiertem Verhalten abgegrenzt – um dazuzugehören, um ernst genommen zu werden. Und ja, auch Anne und ich kennen diese Dynamiken.

Wenn Selbstverleugnung als Stärke verkauft wird

Wir sprechen über Pick-Me-Verhalten – also die bewusste oder unbewusste Abwertung anderer Frauen, um selbst besser dazustehen. Sarah erzählt, wie sie sich früh lieber mit Jungs umgab, um „cooler“ zu wirken. Ich erinnere mich gut an ähnliche Denk- und Verhaltensmuster bei mir – diese Prägung sitzt tief.

Ein besonders augenöffnendes Beispiel war das Thema „Hobbyhorsing“ – eine Sportart, die vor allem von Mädchen ausgeübt wird. Als ich das erste Mal davon hörte, war meine spontane Reaktion: belächeln. Erst im Gespräch mit Sarah wurde mir bewusst, wie viel da mitschwingt. Warum wird etwas, das weiblich konnotiert ist, reflexartig abgewertet? Warum finden wir Dinge lächerlich, nur weil sie „mädchenhaft“ erscheinen? Genau da zeigt sich der Kern internalisierter Misogynie.

Die Abwertung von Weiblichkeit beginnt früh

Die Abwertung von Weiblichkeit beginnt früh

„Du wirfst wie ein Mädchen.“

„Sei keine Pussy.“

Weiblichkeit ist nicht neutral, sondern wird systematisch als „weniger wert“ codiert. Rosa wird zur Einschränkung, Empathie zur Schwäche, Emotionalität zur Belastung. Wir übernehmen das – oft, ohne es zu merken.

Ein weiteres Feld, auf dem sich dieser Hass zeigt: unser Körperbild. Sarah spricht offen über ihre Gewichtszunahme durch Medikamente – und den sofort einsetzenden Impuls, abnehmen zu müssen. „Ich glaube, es wird gewollt, dass Frauen möglichst wenig Raum einnehmen“, sagt sie. Dieser Gedanke trifft einen Nerv. Schlank sein als gesellschaftliche Norm – nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern als Ausdruck von Anpassung, von Unsichtbarkeit.

Konkurrenz unter Frauen als systemisches Konzept

Konkurrenz unter Frauen scheint systemisch verankert.

Konkurrenz unter Frauen scheint systemisch verankert. Ich bin damit aufgewachsen – durch Medien, Erziehung, Vergleich. Wer ist schöner, klüger, erfolgreicher? Wer kriegt den Job, die Anerkennung, den Mann?

Die patriarchale Struktur lebt davon, dass FLINTA-Personen sich nicht verbünden, sondern gegeneinander arbeiten. So bleiben die bestehenden Machtverhältnisse unangetastet. Und wir spüren es: in Bewerbungssituationen, in Gehaltsverhandlungen, in Alltagsinteraktionen.

Was bedeutet FLINTA eigentlich?
FLINTA steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen – also all jene, die vom Patriarchat diskriminiert werden. Der Begriff wird genutzt, um geschlechtsspezifische Marginalisierung sichtbar zu machen. „FLINTA ist ein Begriff, der sich auf geschlechtliche Identität und nicht auf sexuelle Orientierung bezieht“ (Quelle: Friedrich Ebert Stiftung).

Feminismus heißt, Privilegien abzugeben

Feminismus, der nur die eigene Betroffenheit berücksichtigt, bleibt oberflächlich.

Ein zentraler Punkt unserer Folge: Feminismus, der nur die eigene Betroffenheit berücksichtigt, bleibt oberflächlich. Sarah bringt es mit einem Satz auf den Punkt:
„Ich als weiße Frau bin für eine Schwarze Frau das, was für mich ein weißer Cis-Mann ist.“ Das bedeutet: Auch wir, die selbst Diskriminierung erleben, können Teil des Problems sein – wenn wir andere Formen von Unterdrückung ausblenden. Echten Wandel gibt es nur, wenn wir bereit sind, Macht abzugeben. Und wenn wir anfangen, nicht nur für uns zu kämpfen – sondern für alle.

Fragility erkennen – und aushalten

White Fragility bezeichnet die Abwehrhaltung, wenn weiße Menschen mit Rassismus konfrontiert werden. Ich ertappe mich selbst manchmal bei solchen Reaktionen: Das kann doch jetzt nicht auch noch diskriminierend gewesen sein? Muss denn alles problematisiert werden?

Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Diese Reaktionen sind keine Ausnahme, sondern Teil des Problems. Wenn ich etwas als unbequem empfinde, lohnt es sich hinzuschauen. Nicht als Angriff – sondern als Chance, besser zu verstehen und es künftig besser zu machen.

Warum Female Empowerment allein nicht reicht

Sarah berichtet von ihrem Weg: Vom Start ihrer Female-Empowerment-Initiative hin zur Gründung einer Diversity-Marketing-Agentur. Ihre Erkenntnis: Empowerment ist kein Selbstzweck – und vor allem keine Lösung für strukturelle Gewalt. „Female Empowerment ist oft nur Diskriminierung in Glitzer verpackt“, sagt sie. Denn solange das System selbst diskriminierend bleibt, ist Empowerment allein nicht genug. Die Verantwortung liegt nicht nur bei den Betroffenen. Die Verantwortung liegt bei jenen, die Macht haben – und sie weitergeben sollten.

Marketing als Hebel für Veränderung?

Sarah ist Gründerin der Agentur Divoke, Bildquelle: https://divoke.de/ueber-divoke

Sarah berät mit ihrer Agentur „Divoke“ Unternehmen beim Thema Diversity im Marketing. Und auch hier macht sie klar: Diversität ist kein Trend, sondern Verantwortung. Wer sich nach außen als inklusiv darstellt, muss auch intern bereit sein, Strukturen zu verändern. Sonst bleibt es beim sogenannten „Diversity Washing“.

Ihr Anspruch: ehrliche Kommunikation, intersektionale Perspektiven und kontinuierliche Selbstreflexion. Ein Anspruch, den ich teile – und der auch für uns als Medien- und Content-Schaffende gilt.

Feminismus darf unbequem sein

Ein Satz, den jemand sofort auf T-Shirts drucken sollte:
„Wenn Feminismus dir selbst nicht wehtut, dann machst du ihn noch nicht richtig.“

Feminismus ist kein Wellnessprogramm. Er fordert heraus. Er deckt auf. Und er zwingt uns dazu, uns selbst zu hinterfragen. Es reicht nicht, sich auf Instagram zu positionieren oder bei Panels zu applaudieren. Es geht darum, Platz zu machen. Räume zu öffnen. Und auch eigene Privilegien aufzugeben.

Fazit: Es geht nicht um Perfektion – sondern um Haltung

Die Frage ist nicht, ob wir Fehler machen – sondern, ob wir bereit sind, daraus zu lernen.

Wir alle sind Teil eines patriarchalen und kapitalistischen Systems. Wir alle haben Vorurteile verinnerlicht. Die Frage ist nicht, ob wir Fehler machen – sondern, ob wir bereit sind, daraus zu lernen.

Für mich bedeutet Feminismus heute: ehrlich hinschauen, zuhören, Fehler eingestehen und andere mitdenken. Nicht später. Nicht irgendwann. Sondern jetzt. Intersektional. Unbequem. Und solidarisch.

Zum Nachlesen, Folgen und Dazulernen:

  • Divoke – Agentur für diverses Marketing: https://divoke.de/
  • Divoke auf Instagram: https://www.instagram.com/divoke.agency/
  • Sarah Hirzinger auf Instagram: https://www.instagram.com/sagtsarahdoch/
  • Schick, Sibel (2023): Weißen Feminismus canceln: Warum unser Feminismus feministischer werden muss. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.
  • Zakaria, Rafia (2021): Against White Feminism. Notes on Disruption. Wie „weißer“ Feminismus Gleichberechtigung verhindert. W. W. Norton & Company (englische Originalausgabe), deutsche Ausgabe: Hanserblau, München (2. Auflage, 2024).

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