Entscheidungen treffen. Auf den ersten Blick kein sexy Thema, mit dem unser Podcast-Baby „Purpose. Power. Perspektiven.“ das Licht der Welt erblickt. Auf den zweiten Blick aber sehr wohl. Da bitten wir dich jetzt ganz unverfroren um einen Vertrauensvorschuss. Denn: Entscheidungen zu treffen ist sehr eng verknüpft mit dem Konzept der Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung einer Person, dass sie durch eigenes Handeln gewünschte Ergebnisse erzielen kann. Damit nimmt Selbstwirksamkeit, und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, eine sehr wichtige Rolle in unserem emotionalem Wohlbefinden ein. Aber warum fällt uns das Entscheiden denn trotzdem so schwer? Gibt es überhaupt universal richtige Entscheidungen? Und wie können wir es uns leichter machen, Entscheidungen treffen? Das alles sind Themen und Fragen, denen Anne und ich in dieser ersten Episode auf den Grund gehen.

Der Zauber der menschlichen Handlungsfähigkeit
Menschliches Handlungsvermögen oder Handlungsfähigkeit (engl. „Human Agency“) beschreibt die Fähigkeit von Menschen, bewusst Entscheidungen zu treffen, ihr eigenes Leben aktiv zu gestalten und durch ihr Handeln Einfluss auf die Welt zu nehmen. Und das bedeutet: Ich bin nicht Opfer meiner Umstände – ich bin handlungsfähig. Ich kann steuern, reflektieren, und ich kann mich bewusst für oder gegen etwas entscheiden [1].
Voller Unbescheidenheit behaupten Anne und ich: Wir sind gut im Entscheidungen treffen. Auch wenn’s auch uns natürlich oft schwer fällt. Entscheidungen treffen kann sehr unbequem sein, denn das bedeutet ja, dass man mit den Konsequenzen leben muss.
Schwere Entscheidungen: Unternehmens-Aus und Energievampire
Was waren denn die letzten schweren, großen Entscheidungen, die uns gerade noch sehr präsent im Gedächtnis haften?
Nach vier Jahren des Unternehmensaufbaus im Nebenerwerb, und einem elend schlechten Weihnachtsgeschäft 2024 habe ich mich dazu entschlossen, mein kleines Lable for my ladies collective aufzugeben. Und nicht nur das: auch meine zweite Gründungsidee – Gen Fem Catalyst – liegt jetzt erstmal auf Eis. Nach 2 Jahren Arbeit, netzwerken und Ideenverfeinerung.

Das geht nicht sinnkrisenlos an mir vorbei (darauf gehe ich bei meiner Erzählung zum M.STORIES Festival näher ein), aber dennoch: Die Erleichterung kann ich nicht leugnen.
Einer Entscheidung, die Anne mal sehr schwer gefallen ist und sich am Anfang auch falsch angefühlt hat, war, einen Freund aus ihrem Leben zu verbannen, der mit sich selbst – und auch mit ihr – grundsätzlich sehr unzufrieden war. Egal wie sehr sie sich ein Bein für ihn ausgerissen hat, es war schlichtweg nie genug oder richtig. Der Rauswurf ließ trotzdem JAHRE auf sich warten, denn: darf man überhaupt Menschen aus seinem Leben werfen, wo doch gerade wir Millenials die „Ride or Die“ Mentalität so zu zelebrieren scheinen? Wo wir doch so grundgütig und empathisch und aufopfernd sein wollen?
Warum es uns schwer fällt, Entscheidungen zu treffen
Zunächst sei festzuhalten: unser Gehirn ist ein Arsch. Es hasst Veränderung und gaukelt uns gerne vor, dass alles besser ist, wenn wir alles so lassen, wie es ist. Wenn dann noch der innere Groll-Moderator mit seinem blöden Motz-Mikrofon wieder live auf Sendung geht und ungefragt dein Selbstwertgefühl kommentiert, wirkt die Schreckstarre schon sehr verlockend.
Hier ein paar weitere Gründe (teilweise wissenschaftliche fundiert, teilweise aus der eigenen Erfahrung heraus), warum es uns vielleicht schwer fällt, Entscheidungen zu treffen:
- Paradox of Choice: Dieses Phänomen besagt, dass zu viele Optionen zum Stillstand führen.[2]
- Angst vor Fehlern & Perfektionismus: Ich will nicht „falsch“ liegen. Gerade in Deutschland ein großes Thema, denn eine positive Fehlerkultur muss hierzulande erst noch etabliert werden.
- Persönliche Unsicherheit: Ich weiß eigentlich, was ich will oder was richtig für mich wäre, aber ich habe aufgrund persönlicher Erfahrungen verlernt, auf mich zu hören und hinterfrage meinen eigenen Instinkt.
- Hindsight Bias (auf Deutsch: Rückschaufehler oder Ich-hab’s-ja-gleich-gewusst-Effekt): Dieser Effekt beschreibt die psychologische Tendenz, vergangene Ereignisse im Nachhinein als viel vorhersehbarer einzuschätzen, als sie es tatsächlich waren. Der Begriff Hindsight Bias stammt aus der psychologischen Forschung der 1970er und 1980er Jahre. Besonders bekannt dafür sind die Psychologen Baruch Fischhoff, Daniel Kahneman und Amos Tversky.
- Gefühl von Ohnmacht: Wenn ich glaube, eh nichts beeinflussen zu können, wird jede Entscheidung zur Belastung. Hier kommt der Aspekt der kollektiven Selbstwirksamkeit ins Spiel, also der Glaube, der Glaube, dass eine Gruppe gemeinsam Veränderungen bewirken kann. Dies spielt eine Schlüsselrolle bei sozialen Bewegungen und politischem Aktivismus.[1]

Tipps, um bessere Entscheidungen zu treffen
Während Anne und ich beide gerne von unserer sehr niedrigen Bullshit Toleranz zu Entscheidungen gezwungen werden, haben wir noch einige weitere Tipps zusammengesammelt:
1. 1-Minuten-Prinzip für kleine Entscheidungen
Das 1-Minuten-Prinzip (auch bekannt als One-Minute Rule) stammt von der US-amerikanischen Autorin und Happiness-Expertin Gretchen Rubin und besagt: Wenn du weniger als eine Minute brauchst, um etwas zu entscheiden oder zu erledigen — dann mach es sofort.
Warum? Es spart Zeit & Energie. Es verhindert Entscheidungs-Stau im Kopf. Es trainiert pragmatisches Handeln.
2. Das 10-10-10-Prinzip für große Entscheidungen
Bevor du dich für oder gegen etwas entscheidest, fragst du dich bewusst: Welche Auswirkungen hat meine Entscheidung in 10 Minuten, in 10 Monaten und in 10 Jahren?
Die Überlegung dahinter: Viele Entscheidungen treffen wir impulsiv — aus Emotion, Stress oder Angst heraus. Das 10-10-10-Prinzip zwingt dich dazu, zeitliche Distanz einzunehmen und deine Kurzfrist-Emotionen zu relativieren. Das Prinzip stammt von der amerikanischen Autorin, Journalistin und Speakerin Suzy Welch [3].
Beispiel:
Du überlegst, deinen Job zu kündigen.
Zeitperspektive | Deine Gedanken dazu |
In 10 Minuten | Ich habe Angst. Herzklopfen. Existenzpanik. |
In 10 Monaten | Vielleicht habe ich einen neuen Job gefunden oder sogar mein eigenes Projekt gestartet. Ich wachse an der Situation. |
In 10 Jahren | Wahrscheinlich werde ich stolz sein, dass ich mutig war und mich nicht habe kleinhalten lassen. |
3. Entscheidungsmüdigkeit minimieren
Wie oben bereits erwähnt, gibt es das sogenannte „Paradox of Choice“, das besagt: wenn wir zu viele Optionen haben, legen wir uns selbst lahm.
Was können wir also tun, um die Entscheidungsmüdigkeit zu minimieren?
- Ein Konzept, das ich persönlich brillant finde und versuche, aktiv in allen Lebenslagen anzuwenden: „Two, not three.“ Hab ich von Simon Sinek gelernt. Dabei handelt es sich um das Erfolgsrezept eines Entrepreneurs als Los Angeles, der mit seinen Schuhläden Erfolg erlangt hat. Mit diesem wirkungsvollen Trick: Sobald eine Kundin mehr als 2 Paar Schuhe anprobieren wollte, fragte er direkt, welches Paar Schuhe er wieder wegräumen sollte, bevor er das neue Paar holte. Denn wenn seine Kundinnen sich zwischen zwei Paar Schuhen entscheiden mussten, wurde immer ein paar gekauft. Wenn die Entscheidung zwischen drei Paar Schuhen lag, kaufte die Kundin nichts [4]. So simpel kann das sein.
- Unser Gehirn liebt Routinen und Standards, denn hier muss es nicht aktiv jedes mal überlegen, sondern kann automatisierte Programme abspulen. Dies können wir uns zu Nutze machen, in dem wir uns positive Routinen antrainieren, wie zum Beispiel ein gesundes Standardfrühstück und der regelmäßige Besuch im Fitnessstudio. Zum Problem wird’s nur, wenn wir ungesunde Routinen entwickeln. In seinem Buch „Die 1% Methode“ weist James Clear darauf hin, dass es circa 30 Tage dauert, bis wir neue Routinen verinnerlicht haben.

Queen of my Castle
Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Entscheidungen treffen macht den wenigsten wirklich Spaß. Und trotzdem ist es der einzige Weg, gezielt Kontrolle über unser eigenes Leben zu behalten. „Wenn du glaubst, dass du etwas bewirken kannst – dann ist das der erste Schritt, es auch wirklich zu tun.“ [1]
Eine herrliche Form von Macht, die Queen des eigenen Castles zu sein.

Hier kannst du dir komplette Folge anschauen bzw anhören:
#1 Du weißt, was du willst – du traust dich nur nicht auf Spotify
#1 Du weißt, was du willst – du traust dich nur nicht auf auf YouTube
Quellen
- [1] Albert Bandura (1995), Self-Efficacy – The Exercise of control.
- [2] Barry Schwartz (2004), The Paradox of Choice — Why More Is Less.
- [3] Suzy Welch (2009): 10-10-10: A Life-Transforming Idea.
- [4] Simon Sinek (2024), Trevor Noah Makes My Brain Hurt | A Bit of Optimism Podcast